Samstag, 12. März 2011

Tagblatt: Der harte Kampf ums Überleben

Gleich in 2 Artikeln berichtet das Tagblatt in St. Gallen von der Situation der Platten- und CD-Läden in der Stadt.

"Der Harte Kampf ums Überleben" folgt einen Tag nach "Der Niedergang der St.Galler Musikläden". Beides recht sauber recherchierte Artikel die zeigen, dass sich der Autor Daniel Walt in der lokalen Musikszene auskennt. Aus seinen Zeilen spricht viel Wehmut um die den veränderten Marktverhältnissen zum Opfer gefallenen Geschäfte. Ich kann ihm nachfühlen auch wenn man mich nie in einem der genannten Geschäfte angetroffen hat (schade eigentlich, aber man kann nicht überall sein).



Es ist immer traurig, wenn ein Geschäft verschwindet. Es sind immer persönliche Schicksale damit verbunden, wenn ein Laden schliesst. Und häufig steckt(e) viel Herzblut drin. Aber schlussendlich zeigt nur schon der Name "Geschäft" worum es schlussendlich geht. Wenn mit einem Geschäft kein Geschäft mehr zu machen ist, muss sich etwas ändern. Entweder muss es wieder rentabel (oder zumindest tragbar) werden oder es muss aufgegeben werden. Dies ist eines der gnadenlosen Gesetze unserer freien Marktwirtschaft.

Der Schluss, dass das Ende dieser Geschäfte mit dem grassierenden Download von nicht lizenzierter Musik aus dem Internet zusammenhängt, ist etwas gar einfach (Ich verzichte bewusst auch die Worte "illegal", "Raubkopien" oder gar "Piraterie", da in der Schweiz der reine Download von Musik nicht illegal ist, für den Tatbestand des "Raubes" etwas entwendet werden muss, dass der andere danach nicht mehr hat und "Piraterie" das ist, was vor Somalia stattfindet und in diesem Zusammenhang von der Urheberrechtsindustrie eingeführt wurde).

Die Gründe sind vielschichtiger, wie vieles in der Wirtschaft. Das Konsumverhalten der Kunden hat sich verändert. So etwas findet in jeder Branche statt, in welcher der Wettbewerb spielt (siehe Quartierläden oder auch HiFi-Geschäfte). Einige Anbieter sind innovativ und behalten so ihre Kunden oder gewinnen sogar welche dazu. Einige finden ihre Nische (z.B. mit besonders guter Beratung, einem speziellen Produkt oder einer speziellen Auswahl). Einige grössere Geschäfte haben diesen Schritt nicht geschafft, haben ihre Musikabteilung verkleinert was zu einem Kreislauf führt, der normalerweise mit der Aufgabe des Geschäftszweiges endet (kleinere Auswahl zieht weniger Kunden an was zu weniger Umsatz und damit zu einer weiteren Straffung des Angebotes führt).

Gerade in der Musik ist wohl aber der "long trail" interessant. Titel, die einzeln nur wenig Umsatz bringen aber in der Summe doch einen schönen Teil am Umsatz ausmachen können. Ein Kunde kauft denselben Tonträger meist nur ein Mal. D.h. wenn der Kunde das nächste Mal kommt, wird er etwas anderes wollen. Mit einer Auswahl von 20 verschiedenen Titeln wird es schwer, diese Kunden zufrieden zu stellen. Gerade in einem solchen Markt ist der Verkauf der Produkte über das Internet (und anschliessender Versand zum Kunden) sehr interessant. Man kann mit relativ geringen Kosten dem Kunden eine riesige Auswahl an Tonträgern anbieten und diese auch mit Zusatzinformationen ansprechend präsentieren.

Des weiteren ist das Produkt "CD" seit 30 Jahren auf dem Markt und die einzige "Innovation", die die Musikindustrie in dieser Zeit gebracht hat, ist die Abspielverhinderung (auch "Kopierschutz" genannt), der das Abspielen der CDs auf verschiedenen Geräten verhindert.

Ende der Achzigerjahre kostete die Herstellung einer CD noch ca. 7 Franken. Heute kostet das Pressen einer CD nur noch wenige Rappen! Trotzdem sind die Preise nicht gesunken. Im Gegenteil. Erstaunlicherweise liegen die Preise der Neuerscheinungen bei den CDs unabhängig von der Produktionsfirma immer etwa gleich viel. Aber das ist wohl reiner Zufall, schliesslich ist es unvorstellbar, dass sich die Musikriesen in diesem Markt absprechen würden.

Statt Innovation zu bringen, wurde versucht, diese im Keim zu ersticken. Erst als das Kind schon lange in den Brunnen gefallen war, und die Lieder mangels offizieller Alternativen massenhaft im Internet getauscht wurden, bewegte sich etwas.
Statt selbst Innovation zu bringen wurde nach dem Staat geschrien, um die Gesetze zu verschärfen. Und die Gesetzgeber machten brav mit und schützten eine Industrie, die jahrelang den Innovationszug verschlafen hatte mit Gesetzen, die den Konsumenten massiv benachteiligen und seine Freiheiten massiv einschränken.

Man muss sich fragen, was denn der Mehrwert ist, wenn ich eine CD kaufe, statt sie herunter zu laden? Ein Booklet mit Infos und Songtexten? Ein begrenzter Mehrwert der auch noch häufig wegrationalisiert wurde!

Ein Plattencover, das etwas hermacht? Diese Tradition ist offenbar vor vielen Jahren gestorben! Die CD-Cover sehen meist aus wie mit der Heftbeilage "Cover-Creator-Ultimate" (Werbetext:"Mit drei Klicks dank 250 tollen Vorlagen zum professionellen CD-Cover") erstellt.

Die Milliardengewinne der Musikgiganten sind geschrumpft. Dies ist in vielen Branchen ähnlich und trotzdem werden keine neuen Gesetze erlassen, um diese Branchen zu schützen! Man muss sich fragen, ob die Musikindustrie denn für ihre Milliardengewinne einen reellen Gegenwert erbracht hat! Ist es vielleicht eher so, dass die Gewinne in der Vergangenheit viel zu hoch waren und sich nun langsam der Realität annähern?

Denn eine Konkurrenzsituation gibt es im Musikgeschäft nicht. Wenn ich die Musik eines bestimmten Künstlers hören will, so kommt die CD von einer einzigen Produktionsfirma. Dank der Urheberrechte ist dieses Monopol auch noch staatlich garantiert! Ob diese Situation in einer freien Marktwirtschaft noch zeitgemäss ist? Für die Kunden bringt sie jedenfalls viele Nachteile mit sich!

Wer nun einwendet, dass ja schliesslich die Künstler durch das Urheberrecht geschützt werden. "Jein".
Gerade mal knapp 4% des Verkaufspreises einer CD geht an den Künstler. 96% teilen die anderen Beteiligten unter sich auf!
Die Abschaffung des Urheberrechtes ist nicht wirklich ein Thema und wohl auch im Moment wenig sinnvoll; aber durchaus ein interessantes Gedankenexperiment.

Zurück zu den nicht lizenzierten Downloads, die anscheinend Schuld an der "Misere" der Musikindustrie schuld sein sollen (wobei "Misere" für eine Branche, die nach wie vor Miliardengewinne schreibt wohl ein etwas starkes Wort ist).

Der Erfolg der Online-Musik-Ships wie iTunes sind für mich der beste Beweis, dass die Kunden die Musik bezahlen wollen. Aber über mehr als 10 Jahre war es schlicht nicht möglich, wenn man Musik online beziehen wollte! Wenn man den Kunden einen einfachen, bequemen und sicheren Weg bietet, die Musik online zu beziehen, sind sie auch bereit, zu bezahlen. Selbst wenn die Preise nach wie vor völlig überrissen sind (Ein Album ohne Medium kostet häufig nur unwesentlich weniger als im Laden).

Die Aussage, dass die nicht lizenzierten Downloads an allem Schuld sind, ist also viel zu kurz gegriffen. Das Konsumverhalten hat sich verändert. Die Vertriebswege haben sich verändert. Und die Musikindustrie hat es verpasst, ihren Händlern ein konkurrenzfähiges Produkt zu bieten.

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