Montag, 8. November 2010

Sonntagszeitung: Jedes 3. Kind in der Therapie

Oder:"Fakten sind optional..."

Die Überschrift des Artikels in der heutigen Sonntagszeitung zwingt mich zum Nachdenken (bzw zum Weiterlesen). Zum Glück ist ja Sonntag - ich habe also viel Zeit.

Aber schon die erste Zeile auf der Frontseite lässt mich die Stirn runzeln...
"Sonderpädagogische Massnahmen werden zum festen Bestandteil der Volksschule: Im Kanton Zürich wurde 2008/09 jedes dritte Kind mit einer solchen Massnahme unterstützt, in St. Gallen jedes vierte"
Was denn jetzt? Therapie? Sonderpädagogische Massnahme? Das ist doch nicht wirklich dasselbe.

"Besonders ausgeprägt sei der <Förderwahn> in den oberen Schichten der Gesellschaft, sagt Arzt und Autor Remo Largo:<Dort nimmt er absurde Formen an.>"
Mit "Förderwahn" sind hier wohl eher begleitende Massnahmen auf privater Ebene, wie z.B. private Nachhilfe oder gezielte private Vorbereitungen für die Gymnasium-Aufnahmeprüfung gemeint. Aber der Einfachheit halber lassen wir das wohl auch unter "Therapie" laufen.
Das war`s dann mit dem Text auf der Frontseite, weiter geht`s auf Seite 15.

Auf Seite 15, der Titelseite des Bundes "Fokus" prangt über dem umfangreichen Artikel in grossen Lettern die Überschrift:"Therapie macht Schule"

Der Aufreisser verspricht einen interessanten Artikel:
"Ob überfordert oder hochbegabt: Viele Schüler werden speziell gefördert. Experten warnen vor gravierenden Folgen"
Dann beginnt der eigentliche Artikel:
"Zu zappelig, zu ruhig, zu begabt, zu schwach - kaum ein Volksschüler scheint in den Augen der Lehrer, Eltern und der Gesellschaft dem Normalbild zu entsprechen"
Oh, welche weise Worte! Aber mal kurz zurück geblättert:"1/3 der Schüler bekommt sonderpädagogische Behandlung." Das bedeutet wohl, dass diese "Kaum ein Schüler", immerhin 2/3 der Schüler sind. Aber wie gesagt, Fakten sind ja nicht so wichtig!

"Zu den sonderpädagogischen Massnahmen gehören etwa Therapien gegen Lese- und Rechenschwäche (Legasthenie und Dyskalkulie ), gegen allgemeine Sprachstörungen (Logopädie), aber auch Deutschunterricht für Fremdsprachige. Mancherorts zählt auch die Hochbegabtenförderung dazu."
Aha. Also auch Deutschunterricht für Fremdsprachige ist eine Therapie. Und Hochbegabtenförderung natürlich auch.

Auch im restlichen Artikel wird wild gewürfelt. Über Eltern, denen nur das Beste für ihre Kinder gut genug sei und die Ihre Kinder damit überfordern würden. Prozentzahlen werden ohne Hintergrundinfo hingeworfen ("Im Kanton Thurgau stieg der Aufwand für sonderpädagogische Massnahmen zwischen 2004 und 2009 um zehn Prozent, während die Schülerzahl um zehn Prozent sank")

Dann wird abgeschweift auf "hochbegabt" und dass dieses Label heikel sein kann. Aber zum eigentlichen Kern des Themas tastet sich der Artikel nicht vor. Es bleibt wohl ein Geheimnis der Autorin Gabi Schwegler, was sie uns denn da mitteilen wollte. Vielleicht wäre da auch eine Therapie oder eine sonderpädagogische Massnahme sinnvoll, die dabei helfen könnte, eine Sache auf den Punkt zu bringen.

Zwischendurch schimmert es im Text durch: Der Leistungsdruck auf Schüler, Schule und Lehrer steigt. Und die Schule kann schon prinzipbedingt nie alle Forderungen erfüllen. Seien wird doch froh, dass es Hochbegabtenförderung gibt und die talentierteren Schüler nicht vor Langeweile in der Schulbank versauern. Und seien wir froh um die Förderung schwächerer Schüler, damit die Lehrer mehr Zeit haben, die "normalen" Schüler optimal zu fördern.

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